Es passiert nicht alle Tage, dass ein wegen gemeinschaftlichen Mordes verurteilter Straftäter vor Jugendlichen steht und ihnen aus seinem Leben erzählt. Warum? Um sie zu warnen, selbst straffällig zu werden. Um ihnen klarzumachen, dass jeder verantwortlich ist für sein Tun und dass ein Gefängnisaufenthalt nichts mit verharmlosenden Darstellungen aus Gangsterfilmen zu tun hat. Der Ex-Häftling Teyfik Sahin ist seit sieben Jahren im Verein „Gefangene helfen Jugendlichen“ (GhJ) tätig; auf Einladung der Carl-Friedrich-Gauß-Schule und der Bürgerstiftung Hemmingen war er im Zuge eines Präventionsprojekts drei Stunden lang in einem Werte-und-Normen-Kurs der Carl-Friedrich-Gauß-Schule zu Gast.
Die 20 Schülerinnen und Schüler des Kurses aus dem neunten Jahrgang, die aus Hauptschul-, Realschul- und Gymnasialzweig der CFG kommen, waren sichtlich beklommen angesichts der Schilderungen des 46-jährigen Hamburgers. Sahin befragte sie aber auch zu ihren eigenen Erfahrungen mit Gewalt, Drogen oder Straftaten und hatte eine Reihe guter Tipps parat, wie man folgenreichen Versuchungen aus dem Weg gehen kann. Immerhin bietet der einst zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilte Mann auch pädagogische Boxkurse sowie Anti-Gewalt- und Deeskalationstraining an.
Auch wenn man als junger Mensch gern „auf dicke Hose“ mache, sich unbesiegbar fühle und denke, man sei schlauer als die Polizei: Nach den Erfahrungen von Teyfik Sahin ist das meist eine fatale Fehleinschätzung. Er sei schon als Jugendlicher straffällig geworden und immer tiefer in einem Strudel von Gewalt und Kriminalität versunken. Doch habe er in langen, qualvollen Jahren in „Santa Fu“ – wie die Justizvollzugsanstalt Hamburg-Fuhlsbüttel im Volksmund heißt – gelernt, dass man sein Schicksal auch wieder in eine andere Richtung lenken kann.
Der 46-Jährige absolvierte im Knast eine Tischlerlehre, besuchte als Freigänger eine Technikerschule, machte seinen Meister und hat inzwischen sogar die 52.000 Euro Schulden abbezahlt, die sich am Ende seiner kriminellen Karriere aufgehäuft hatten. Wenn man von falschen Freunden zu illegalen Aktivitäten oder dem Konsum harter Drogenüberredet werden solle, so Sahin, müsse man lernen, Nein zu sagen. Auch appellierte er an die Schülerinnen und Schüler, auf jeden Fall eine vernünftige Ausbildung zu machen und sich nicht hängen zu lassen: „Ihr habt es selbst in der Hand, was ihr aus eurem Leben macht.“
Der Verein „Gefangene helfen Jugendlichen“ ist in mehreren deutschen Städten und in der Schweiz tätig. Er will nicht nur Jugendliche vor Straftaten warnen oder bewahren, sondern auch die Resozialisierung von bereits straffällig gewordenen Tätern erleichtern – und damit auch der Gesellschaft einen Gefallen tun, die laut Sahin allein in Deutschland jährlich 2,2 Milliarden Euro für die Unterhaltung von Gefängnissen aufbringen muss.
Die Kosten für das Präventionsprojekt an der Carl-Friedrich-Gauß- von rund 500 Euro trägt die Hemminger Bürgerstiftung. Laut Vorstandsmitglied Susanne Bauer, die das Projekt gemeinsam mit Hauptschul-Koordinatorin Linda Wein auf den Weg gebracht hat, geht es um eine frühzeitige Sensibilisierung von Jugendlichen in Schule, Familie und Freizeit: „Den Schülerinnen und Schülern soll auf durchaus drastische Weise vor Augen geführt werden, welche erheblichen Folgen es haben kann, mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.“
TRA/Michael Zgoll